Hallo und herzlich willkommen beim Stallreport. Hier geht es (ausnahmsweise) mal nicht um mich und meine Pferde, sondern um euch! Beziehungsweise eine/n von euch, eine/n von uns.
Wir – das sind in diesem Fall all jene, die Pferde in Eigenregie halten. Sei es nun hinter dem eigenen Haus oder auf gepachtetem Grund.
Ich habe schon immer gerne geschaut, wie andere „das“ machen: Welche Haltung wurde wo und wie realisiert, auf welche Erkenntnisse kommt man erst, wenn man es tatsächlich selbst ausprobiert hat, wo sind typische Stolpersteine versteckt und – ganz wichtig – wie ist denn das Leben so, wenn man es mit Pferden teilt?
Am Ende nimmt man sich das Beste aus allen Welten für sich mit. Oder lässt sich einfach nur unterhalten. In der Kategorie „Stall-Report“ bleiben die gestellten Fragen gleich, die Interview-Partner wechseln.
Heute dürfen wir zu Gast sein bei Chiara in ihrem Edersee Paddockparadies.
Wie viele Pferde hast du und magst du sie kurz vorstellen?
Zu meinem Team gehören zwei Tinker und ein PRE. Die beiden Tinker (Appanatschi und Finn) sind Mutter und Sohn und gehören schon seit 2002 zu meiner Familie. Appanatschi war damals trächtig. Ben, der Spanier gehört seit 2018 zu mir.
Wo befindet sich dein Stall? Direkt am Haus oder hast du eine Anfahrt vor dir?
Der Stall befindet sich auf dem landwirtschaftlichen Hof von meinem Verlobten. Wir selber wohnen nebenan auf einem ehemaligen Bauernhof. Der landwirtschaftliche Hof ist eine alte Domäne und relativ groß, deshalb fahre ich meistens mit dem Fahrrad zum Stall.
Wie alt bist du? Seit wann hältst du deine Pferde in Eigenregie?
Ich bin 27 Jahre alt und kenne es gar nicht anders. Bevor ich zu meinem Freund gezogen bin, standen die Tinker privat bei meinen Eltern zuhause. Ich komme auch von einem landwirtschaftlichen Betrieb und wir hatten immer genug Platz. Es ist fast ein bisschen schade, dass der schöne Offenstall bei meinen Eltern jetzt gar nicht mehr genutzt wird. Aber mir war es wichtig, alle Pferde direkt dort zu haben, wo ich jetzt wohne.
Um zur Frage zurückzukehren: Ich bzw. wir halten unsere Pferde bereits seit 18 Jahren in Eigenregie, seit 2 Jahren steht Ben hier in dem Offenstall und im letzten Sommer habe ich die Tinker bei meinen Eltern abgeholt. Jetzt sind alle vereint.
Ist dein Stall dein Eigentum oder gepachtet?
Die Domäne insgesamt ist als landwirtschaftlicher Betrieb gepachtet. Dazu zählt auch der Offenstall mit Trail.
Wie viel Zeit nimmt das Ganze in Anspruch, hast du eine tägliche Routine?
Mein Leben dreht sich ziemlich viel um die Pferde seit sie nicht mehr bei meinen Eltern stehen. Morgens füttere ich und brauche 15-20 Minuten. Abends füttere ich, bereite das Heu für den nächsten Morgen vor (das wird nämlich bedampft), gebe Mineralfutter, miste und mache alle anderen anstehenden Arbeiten. Wenn ich schnell bin, dann dauert es 45 Minuten, meistens bin ich aber länger im Stall.
Machst du das alles alleine oder hast du Unterstützung? Wer hilft dir, wenn du krank bist?
Das Meiste mache ich selber. Das will ich aber auch so, nur dann bin ich sicher, dass alles so läuft wie ich es mir vorstelle. Einmal in der Woche kommt meine Mama, um mit mir Heunetze zu stopfen und andere größere Arbeiten zu erledigen. Den Mist auf den Anhänger lade ich meistens auch selber, aber wegfahren tut es immer einer der Jungs vom Hof. Und wenn ich mal krank bin oder in den Urlaub will, ist mir die Familie bzw. die Mutter von meinem Verlobten eine große Hilfe. Es ist nämlich so, dass in dem Offenstall auch noch zwei Pferde von denen leben, auch wenn sie nicht direkt mit meinen Pferden zusammenstehen. Im Alltag versorgt jeder seine eigenen Pferde, aber wenn man mal wen braucht, kann man einfach fragen und es ist sofort jemand zur Stelle, der die Routine kennt.
Gehst du in den Urlaub?
Aufgrund von Corona ist das im Moment ja schwierig, aber normalerweise fahre ich schon ganz gerne mal ein paar Tage weg. Natürlich ist es nicht so einfach möglich wie wenn man keine Tiere hat, aber wenn man es gut organisiert, ist es kein Problem.
Wie lagerst und entsorgst du deinen Mist?
Das ist meiner Meinung nach noch nicht optimal gelöst, denn der Misthaufen befindet sich direkt neben dem Eingang zum Stall für die Pferde. Vielleicht bauen wir das irgendwann nochmal um. Da wir den Offenstall auf einem landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieb haben, ist das mit der Mistentsorgung Gott sei Dank kein Problem.
Wie viele Weiden hast du und sind die direkt am Stall?
Erstmal haben wir eine befestigte Fläche von 800 qm als Trail angelegt nur für meine drei Pferde. Direkt angrenzend haben wir noch 4 Wiesen (2.700 qm, 2.200 qm, 1.100 qm, 500 qm), wovon eine der großen aber von den anderen beiden Pferden genutzt wird. Dann haben wir noch eine große Wiese (10.700 qm), die ca. 300 m entfernt liegt. Wenn uns die Wiesen mal nicht reichen, können wir aber auch noch andere Flächen einzäunen, auf denen sonst Heu gemacht wird oder die nicht genutzt werden (so haben wir es z.B. im Sommer 2019 gemacht, da hatten wir dann zusätzliche 13.000 qm eingezäunt).
Welche Art von Stall hast du (Boxen, Offenstall,…) und würdest du das wieder so machen?
Das wird aus meinen vorherigen Antworten schon ganz gut klar, wir haben einen Offenstall mit Paddock Trail. Manchmal hätte ich im Stall gerne die Möglichkeit, die Fläche einfach in separate Bereiche zu unterteilen, das ist mit nur einem Eingang aber schwierig. Man kann eben nicht alles haben.
Hast du neu gebaut oder umgebaut?
Umgebaut. In dem Stallgebäude wurden glaube ich schon seit vielen Jahrzehnten Pferde gehalten..
Wie hast du deine Weiden eingezäunt und wie oft muss man mit Reparaturen rechnen?
Wir haben da ein ziemlich cooles System von Voss.farming *unbezahlte Werbung*. Der MustangWire ist sehr robust und leitfähig. D.h. wir haben ein ganz normales Hausstrom-Weidezaungerät angeschlossen. Unseren Ausbruchkönig Finn hält es auf jeden Fall ganzjährig im Paddock. Wenn der Zaun anfängt, ein bisschen durchzuhängen, wird er einfach gespannt, ansonsten müssen wir nichts reparieren, außer vielleicht mal ein Holzpfosten.
Hast du einen Reitplatz oder eine andere Trainingsmöglichkeit?
Wir haben das Glück, dass wir direkt an das Gelände vom örtlichen Reiterverein angrenzen. D.h. ich muss nur über den Hof gehen und bin schon in der Reithalle. Das ist ziemlicher Luxus, so war das bei meinen Eltern nicht. Die Reitplätze von Reiterverein sind allerdings ein Stück entfernt. Da läuft man gute 10 min hin.
Hast du einen Einsteller oder würdest du jemanden nehmen?
Wie vorher schon drauf eingegangen, stehen bei uns im Stall meine drei Pferde, das Pferd von der Familie meines Verlobten und das Pferd seiner Tante. Auch wenn die anderen beiden ihren separaten Bereich haben. Hier ist also außer der Tante niemand Einsteller. Mehr oder weniger ist es eine Haltergemeinschaft, wo sich aber jeder um seine eigenen Pferde kümmert. Einen Einsteller zu meinen Pferden zu stellen, könnte ich mir grundsätzlich schon vorstellen, dann muss es aber sehr gut passen. Aktuell wäre dafür aber auch zu wenig überdachter Platz.
Natürlich interessiert viele Leser das Finanzielle. Kannst du grob sagen, was dein Stall gekostet hat und was dich der Unterhalt im Monat durchschnittlich kostet?
Das ist echt schwer zu sagen, der Stall an sich war größtenteils schon so vorhanden wie er jetzt ist. Die Domäne wird als Gesamtes gepachtet. Im Mai haben wir den Trail befestigt, das hat 2.000-3.000 € gekostet. Und monatlich kann ich es gar nicht sagen. Tatsächlich habe ich es noch nie ausgerechnet. Gut ist auf jeden Fall, dass wir das Heu selber machen und auch die Mistentsorgung selber übernehmen können. Bei Mineralfutter und Zusatzfutter achte ich schon sehr darauf, was drin ist und bezahle auch gerne etwas mehr. Ben ist Sommerekzemer und braucht dadurch auch noch ein paar Dinge mehr wie Ekzemerdecken, Cremes und co.
Wie oft kommst du zum Reiten/Trainieren?
Das ist sehr unterschiedlich. Mein Ziel ist es 3-mal die Woche was mit Ben zu machen und einmal die Woche mit Finn. Oft (vor allem im Winter) ist es aber weniger, weil nicht so viel Zeit ist neben der Arbeit im Stall und ein Leben abseits vom Pferdestall habe ich ja auch noch. Ein schlechtes Gewissen habe ich dann schon. Auf der anderen Seite können sie sich den ganzen Tag auf dem Trail oder den Wiesen frei bewegen und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ihnen mental irgendeine Beschäftigung fehlt.
Bereust du es, deine Pferde selbst zu halten?
Ein ganz klares Nein! Ich kann mir nicht vorstellen von einem Stallbetreiber abhängig zu sein und habe gerne alles selbst in der Hand. Und ich genieße es jeden Tag, dass meine Pferde so ausgeglichen und glücklich sind. Das ist die viele Arbeit absolut wert! Außerdem sage ich gerne: Abäppeln ist meine tägliche Therapieeinheit.
Was würdest du jemandem sagen, der vor der Entscheidung steht, die Pferde selbst zu versorgen?
Sei dir sicher, dass sich dein Leben sehr viel mehr um Pferde dreht, als wenn du dein Pferd irgendwo als Einsteller parkst. Auch bei schlechtem Wetter und wenn du kränkelst, wollen die Pferde versorgt werden. Du verbringst mehr Zeit im Stall als mit dem Pferd zu trainieren. Nur wenn du dein Leben wirklich darauf einstellen kannst und vor allem auch die Priorität auf das Glück der Pferde legen möchtest, dann solltest du dich dazu entscheiden den Schritt in die Eigenregie zu wagen. Wenn du das nicht kann, solltest du lieber nach einem geeigneten Stall in der Umgebung suchen oder schauen, ob du mit anderen Pferdeverrückten eine Haltergemeinschaft gründen kannst, wo jeder mal die Alltagsaufgaben übernimmt. Man sollte sich immer zum Wohle der Pferde entscheiden, nicht immer ist das der eigene Stall.
Ein herzliches Dankeschön an Chiara für diesen Einblick in ihr „Stall-Leben“!
Wer jetzt Lust bekommen hat, Chiara und ihre Pferde weiter zu verfolgen, dem darf ich ihren Account bei Instagram empfehlen. Ihr findet sie unter: http://www.instagram.com/edersee.paddockparadies.
Wenn du auch einen eigenen Stall führst und Lust auf das Interview hast, zögere nicht, mir eine Nachricht zu schicken.
Wahnsinn. Ein Traum zum neidisch werden. So viel Platz hätte ich au gerne.